Max Autor-Mustermann

auszüge eines gelbtonkatalogs

zitronengelb
heller als zitronen von außen, dunkler als innen. kommt am ehesten der rückseite einer geschälten schale am nächsten. ist hell, ohne zu leuchten, grell, ohne zu beißen. weißer als mais und gelber als zitroneneis. die mischung aus spargelweiß und kartoffelgelb in neon.

strohgelb
blond in hell, aber gelb. farbe, die immer kurz davor zu sein scheint, ihre farbe zu wechseln. nur knapp in sich reinragt. eher gelb ist, weil sie gelb wirkt, als weil sie gelb wäre. mehr gelblich als gelb ist: gelb zu werden oder bleiben scheint, statt gelb zu sein. als hätte man braun entbräunt und angeknipst. beige in der sonne vergessen. ocker getrocknet. farbe, die alte word-dokumente hätten, wenn sie vergilben würden und vergilbt wären.

mondgelb
weiß-gelb, das scheint, nicht durch ein mehr an gelb, sondern ein weniger an weiß entstanden zu sein. weiß wie ausgeblichen, erblasste helle, selten heller als andere hellen. farbe, die nur hervortreten, nicht auf¬getragen werden kann. wie bei tops oder shirts, weiß vor jahren, mondgelb gewaschen. braucht ihre zeit. von allen gelbs das späteste weiß.

sonnengelb
bezeichnet zwei verschiedene töne:
1. das gelb in darstellungen von sonnen. hier haben die strahlen dieselbe farbe wie das rund: gelb als abstraktion von helle, ohne selbst wirklich hell zu sein. warmes gelb, das nicht deshalb warm wirkt, weil es besonders hell, sondern weil es besonders gelb ist. kann seinerseits abstrahiert werden: als gelb, das strahlen assoziiert, ohne selbst zu strahlen. bei smileys. auf atom¬müllfässern.
2. das gelb von sonnenlicht, das es in zig schattierungen gibt. nicht auf dem, was es bescheint. das wirkt gelb, ohne gelb zu sein. fällt z. b. sonnenlicht in ein zimmer, wird, was es bescheint, immer heller, nie gelber. sonnengelb sieht man, bricht sich die farbe aus den strahlen: an wolken oder glas, bei sternen an ferne. dann gewinnt das gelb an distanz. die lichter am sternenhimmel: je älter, desto gelber.

wintergelb
dunkles gelb, das nicht dunkelgelb ist. nicht satt genug dazu. sieht aus, als ob hellgelb im schatten läge. aus einem dunklen raum käme und der schatten an ihm haften geblieben wäre.

warngelb
hellstgelb, grellste der farben. von ihrer grelle leiten sich alle weiteren grellgrade ab. kann anders als mondgelb nicht entstehen, nur hergestellt werden. die farbe dient dazu, sie nicht zu übersehen: fesselt den blick, um dann so sehr zu leuchten, dass es scheint, als habe der blick sie angeknipst. als wäre sie aus, solange niemand hinschaut. geht so sehr in ihrer funktion auf, gesehen zu werden, dass uneinsichtig werden kann, wofür sie sie erfüllt. ist als hinweis auf etwas so dominant, dass sie vor allem darauf hinweist, darauf hinzuweisen. trägt man warngelb, will man weniger sich selbst sichtbar machen, als vor allem sichtbar zu machen, dass man sich sichtbar machen will.

rückstandsgelb
farbe, die am häufigsten übrig bleibt, wenn man flecken entfernt. mattes gelb, das sich auch bei nicht-gelben flecken absetzt. lässt die annahme zu, dass die unterseite der flecken gelb ist. haften bleibt, wenn man sie wegwischt.

eigelbgelb
die dotterfarbpalette gemittelt. sattes gelb, dunkler als hell, das trotzdem leicht leuchtet. wird jenseits von eiern kaum als solches erkannt, gilt dann als strahlend orange.

rapsgelb
gelb, das nichts zurückhält. je mehr, desto gelber wird. über-bordend den blick spült, gelb mit gelb füllt, auf laut dreht, dröhnt. gelb, an dessen gelbheit man sich nicht gewöhnt. gelb, das wie die überbietung seiner selbst wirkt. form von gelb, für die gilt, so gelb zu sein, dass ihr gelb je normaler, desto unwahrscheinlicher scheint.

© Tristan Marquardt
Aus: unveröffentlicht
Audioproduktion: Haus für Poesie, 2022
Das Gedicht wurde auf Deutsch geschrieben.
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Wer hat es geschrieben?
Tristan Marquardt

Tristan Marquardt wurde 1987 in Göttingen geboren. Heute lebt er in München und Zürich. Er liebt Gedichte und schreibt selbst leidenschaftlich. Außerdem organisiert er Lesungen, bei denen andere Menschen ihre Gedichte vorlesen können. Tristan ist Mitglied in einer Gruppe von Dichtern, die sich G13 nennt. In München hat er eine eigene Lesereihe gegründet, die meine drei lyrischen ichs heißt. Er hilft auch dabei, junge Schriftstellerinnen und Schriftsteller bekannter zu machen. Ein besonderes Interesse von ihm ist das Übersetzen alter Texte. Er überträgt Gedichte aus dem Mittelhochdeutschen – einer Sprache, die vor vielen hundert Jahren in Deutschland gesprochen wurde – ins heutige Deutsch, damit sie heute noch verstanden werden können.

Tristan Marquardt

Tristan Marquardt wurde 1987 in Göttingen geboren. Heute lebt er in München und Zürich. Er liebt Gedichte und schreibt selbst leidenschaftlich. Außerdem organisiert er Lesungen, bei denen andere Menschen ihre Gedichte vorlesen können. Tristan ist Mitglied in einer Gruppe von Dichtern, die sich G13 nennt. In München hat er eine eigene Lesereihe gegründet, die meine drei lyrischen ichs heißt. Er hilft auch dabei, junge Schriftstellerinnen und Schriftsteller bekannter zu machen. Ein besonderes Interesse von ihm ist das Übersetzen alter Texte. Er überträgt Gedichte aus dem Mittelhochdeutschen – einer Sprache, die vor vielen hundert Jahren in Deutschland gesprochen wurde – ins heutige Deutsch, damit sie heute noch verstanden werden können.

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